© MARTIN BESECKE 2010 - 2024
ALL RIGHTS RESERVED.
Stiftung Lebenspark
Praxisprojekt “Integrales Gesellschaftskonzept” im Tollense Lebenspark
2006 wurde dieses Projekt von 10 Menschen als Gemeinschaftsprojekt an diesem geschichtsträchtigen Ort gegründet,
um menschlich, sozial und wirtschaftlich so zu leben, wie sie es für sinnvoll halten.
Nach 6 Jahren Übung, Forschung, der Sammlung und Auswertung von theoretischen sowie praktischen Erfahrungen und
Erkenntnissen, wurde daraus das umfassende Praxiskonzept “Integrales Gesellschaftskonzept” entwickelt.
In Zusammenarbeit mit der Stiftung Lebenspark startete am 01.01.2012 die Umsetzung dieses Praxisprojekts im
Tollense Lebenspark in Alt Rehse / Mecklenburg-Vorpommern, nördlich von Berlin.
Dieses Pilotprojekt sollte auch in der Praxis beweisen, dass Menschen solidarökonomisch und mit einem Grundeinkommen
die Freiheit für die eigene Lebensgestaltung verantwortungsbewusst und selbstbestimmt in die Hand nehmen können und
dass ein soziales und wirtschaftliches Zusammenleben im Sinne eines am Menschen orientierten und substanz-basierten
Wirtschaftens möglich und sinnvoll ist.
Kombiniert wurden die Schwerpunkte:
• Gemeinschaftsbildung / Gemeinschaftsentwicklung
• Tiefenökologie
• werteorientierte Demokratie
• Solidarische Ökonomie / Sozialunternehmertum / Gemeinwohl-Ökonomie
• regionale und nachhaltige Kreislaufwirtschaft
• Grundauskommen
• Teil-Autarkie und Selbstversorgung
• Gemeingut / Allmende
• Existenz-, Vermögens- und Alterssicherung
• substanz-basierte und zinsfreie Geldanlage
• Bildungs- und Orientierungsarbeit
In einem weiteren Schritt war geplant, eine regionale Komplementär-Währung (ReCom) einzuführen, die als Geldsystem
nach dem zinsfreien Prinzip des fließenden Geldes funktionieren sollte.
Aus den beim Geldtransfer durch Warenaustausch entstehenden Flussgebühren, sollte dann ein Grundeinkommen
generiert und monatlich an alle Teilnehmer in gleicher Höhe ausgezahlt werden.
Es war zunächst auf zwei Jahre angelegt und für bis zu 100 Menschen ausgelegt.
Projektleitung, Fundraising & Öffentlichkeitsarbeit - Stiftung Lebenspark: Martin Besecke
Fazit
Dieses Projekt ergab zahlreiche Erkenntnisse im Zusammenhang mit einer grundsätzlichen Tragfähigkeit und Praktikabilität
solcher Projekte, im Besonderen im Hinblick ihrer Zielvorstellungen.
So offenbarten sich auch hier die Zusammenhänge von Wertschöpfungsmöglichkeiten in Verbindung mit dem Aufbau
eines notwendigen internen Gemein- und Sozialwesens.
Fast alle dieser Projekte sind eher selten in der Lage, sich aus sich selbst heraus oder durch eine eigene Wirtschaftskraft
vollständig finanzieren zu können. Das funktioniert grundsätzlich nur unter ganz bestimmten Rahmenbedingungen,
die aber, als Folge der Selbsterhaltung, in der Praxis eine strikte Größenbegrenzung, eine soziale Ausgrenzung und
Abschottung sowie ein nach bestimmten Auswahlkriterien strenges Selektionsverfahren für potenzielle Teilnehmer
bedeuten. Und dieses Auswahlverfahren produziert wiederum eine interne Gesellschaft, die natürlich nicht
mit der Pluralität und Diversität einer Gesamtgesellschaft verglichen werden kann.
Aufgrund dieser im Prinzip Homogenität der Projektgemeinschaft, sind dann auch die Aspekte der Demokratieentwicklung,
besonders eben auch unter dem Gesichtspunkt einer pluralistischen Gesamtgesellschaft, deutlich zu hinterfragen.
Ebenso lassen sich die Annahmen, dass genau solche Projekte die Entwicklung von Eigenverantwortung, Gemeinsinn,
Solidarität, Kooperation und ein politisches Interesse und Engagement befördern, nicht bestätigen. Sondern ganz im
Gegenteil, um allein schon die interne Funktionsfähigkeit aufrechterhalten zu können, muss ein enges Regelwerk
mit Sanktionsmechanismen und -praktiken eingeführt werden, das häufig strenger ausfällt, als in einem
Gesamtgesellschaftssystem überhaupt notwendig ist.
Solche Projekte bewirken keine, sozusagen automatische Bewusstseinsbildung, (Weiter-)Entwicklung oder Transformation
des Menschen, sondern fokussieren sogar ganz besonders deutlich die Grenzen der Realität Mensch.
Ebenso lassen sich Zusammenhänge erkennen, dass je kleiner die Gemeinschafts- oder regionalen Einheiten werden,
desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Formen von Nationalismus sowie diktatorische Sichtweisen nach einer
bestimmten Homogenität der Gesellschaft entwickeln.
Aus diesen Gründen eignen sich solche Projekte auch nicht als Versuchslabore, in denen eventuelle (Entwicklungs-)
Ergebnisse gewonnen werden können, die als Erkenntnis oder Anwendung in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext
übertragbar sind.
Auch muss man die Idee der substanz-basierten und zinsfreien Geldanlage als gescheitert bewerten.
Die Gründe lassen sich im Prinzip in einem Satz zusammenfassen: Eine Investition mit dem Risiko eines Totalverlustes,
das natürlich grundsätzlich immer besteht, ist bei einer Null-Rendite einfach uninteressant. "Da kann ich mein Geld
auch gleich unter mein Kopfkissen legen, da ist es wenigstens sicher!"
Des Weiteren fehlt diesen Projekten die Fähigkeit zur Bildung notwendiger neuer systemischer Strukturen sowie
die gesamtsystemverändernde Potenz und Wirkung.
Es hat sich bestätigt, dass Projekte dieser Art nur in den Rahmenbedingungen funktionieren und agieren können,
die vom übergeordneten Gesamtsystem vorgegeben sind bzw. zugelassen werden.
Diese Projekte funktionieren nicht als ein abgekoppeltes, sozusagen unabhängiges und eigenständiges Parallelsystem.
Denn sie besitzen nicht die Möglichkeiten, ein Parallel- oder Subsystem bilden zu können, das abgekoppelt und
unabhängig vom übergeordneten Gesamtsystem agieren, bestehen und überleben kann.
Auch haben sie nicht die Fähigkeiten und die Potenz, das übergeordnete bestehende Gesamtsystem sozusagen
unterhöhlen zu können, sondern werden sogar in relativ kurzer Zeit von den übergeordneten gesamtsystemischen
Funktionszusammenhängen und Wirkungsmechanismen assimiliert. Denn solche Projekte sind existenziell auf das
Funktionieren des größeren Außen angewiesen, um in vielen existentiellen Bereichen selbst funktionieren zu können.
Grundsätzlich können Projekte dieser Art in ihrer Philosophie der Unabhängigkeit, Vielfalt und Ideenfreiheit nur ihre
volle Kraft entfalten sowie im Falle einer systemischen Auseinandersetzung, wie z.B. Anfang des 20. Jahrhunderts (1),
überleben, wenn vorrangig das übergeordnete Gesamtsystem geändert wird und das dann in seiner neuen inhaltlichen,
rechtlichen, institutionellen und strukturellen Gestaltung Projekte dieser Ausrichtungen einbetten sowie in ihrer Existenz
schützen und sichern kann.
Denn solche Projekte sind ohne ein übergeordnetes und regelndes Gesamtsystem, also als ein sozusagen alleiniges
Gesamtsystem, in einem pluralistischen gesamtgesellschaftlichen Kontext mit allen dazugehörigen Aufgaben und
Verantwortungen, untauglich, nicht überlebensfähig und nicht praktikabel.
Zusammengefasst, können diese Projekte grundsätzlich immer nur als ein Komplementär zum übergeordneten
Gesamtsystem oder eben nur als ein reines Gemeinschaftsprojekt verstanden und betrieben werden und dass unabhängig
davon, wie ein Gesamtgesellschaftssystem (dann) letztendlich aussieht und gestaltet ist. Sie können nur ihre volle Kraft
entfalten und eine gesamtgesellschaftlich sinnvolle Aufgabe bekommen oder erfüllen, wenn sie in einer konstruktiven
Synthese in das übergeordnete Gesamtsystem eingebunden werden.
(1) Zum Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in Europa, aber vor allem in Deutschland und
der Schweiz, zahlreiche solcher Projekte, sogar erheblich mehr als heute. Sie wurden damals in einem systemischen
Angriff vom übergeordneten Gesamtsystem quasi über Nacht geschlossen.
Dieser Angriff begründete sich nicht daraus, weil diese Projekte eine systemverändernde oder eine das Bestehende
bedrohende Kraft bekommen haben, sondern ausschließlich nur aus der Paranoia der damals grundsätzlich schon
länger in der Erosion befindlichen systemischen Ordnung und ihrer Eliten.
Dieser Angriff war als eine reine, bei solchen systemischen Schwächen typische und übliche Machtausübung gegen
alles Verändern-Wollende zu verstehen.
Dass diese Bewegung mit ihren Projekten so leicht ausgemerzt werden konnte, hatte zwei Gründe:
1. aufgrund der zuvor unter FAZIT beschriebenen Zusammenhänge, und
2., weil die Protagonisten in einer Ideologie der Basis, eines “nur von Unten” und in einem verantwortungslosen
Freiheitsverständnis verharrten, gepaart mit einer sehr undifferenzierten und grundsätzlichen Ablehnung eines
jedes von Oben und einer jeden übergeordneten, die Gesamtgesellschaft bzw. das Gesamtsystem gestaltenden
und regelnden notwendigen institutionellen, strukturellen und rechtlichen systemischen Ordnung, mit einer
grundsätzlichen Ablehnung einer notwendigen funktionierenden Staatlichkeit.
Sie hatten nicht verstanden und vor allem wollten auch nicht verstehen, dass wenn sie sich selbst retten und vor
allem erhalten wollen, dafür als Grundvoraussetzung vorrangig ein neues übergeordnetes Gesamtsystem unbedingt
notwendig ist.
Ein existenzieller Denk- und Verständnisfehler, den die Anhänger und Vertreter der heutigen Basis-, Graswurzel-,
Gemeinschafts- oder Regionalisierungsbewegungen und -projekte erneut begehen!
Aufgrund dieser “Nur von Unten”-Ideologie und dieses mangelnden differenzieren könnenden Denkvermögens,
war diese Bewegung letztendlich sogar so schwach, dass ebenfalls quasi schon am nächsten Tag die Bevölkerung
schon gar nicht mehr wusste, dass es diese Bewegung mit diesen Projekten überhaupt gegeben hat.
Durch diese Einseitigkeit und Eindimensionalität im Verständnis und Denken, fehlten dieser Bewegung dann natürlich
auch die intellektuellen Fähigkeiten sowie die Kompetenz, die durch die damalige Erosion des Gesamtsystems dann
folgende Weiterentwicklung des Liberalismus sowie des Wirtschafts- und Sozialsystems, inhaltlich, institutionell,
strukturell und rechtlich konstruktiv mitgestalten zu können.